„Dummy“ genügt sich selbst

Erschienen am 4.10.2009

Dummy AtomDie aktuelle Ausgabe der „Dummy“ hat das richtige Thema zur richtigen Zeit. Gerade hat Schwarz-Gelb die Wahl gewonnen, gehen die Aktien von Atomkraftwerk-betreibenden Energiekonzernen durch die Decke, da widmet sich das Berliner Magazin dem Thema „Atom“. Nur soll das bloß keiner merken. Jedenfalls nicht der durchschnittliche Besucher eines Zeitschriftenladens, der durchaus auf das Heft stoßen könnte. Ein unterkühltes Cover versteckt den explosiven Inhalt. Zu sehen ist ein Bild von einer Katastrophenübung, der Titel „Atom“ duckt sich in Schriftgröße 8 in der linken oberen Ecke. „Dummy“-Fans und Design-Enthusiasten werden das Heft schon finden. Um alle anderen bemüht man sich erst gar nicht. Das ist die elitäre „Dummy“-Haltung, die was von FDP hat: die eigene Klientel glücklich machen, alle anderen hin und wieder plakativ schocken. Wie schade! Und was für eine verschenkte Chance!

Zum Inhalt: Mit Ausnahme einer Modestrecke aus Gorleben, die sich weitgehend auf Plastikjacken beschränkt und damit dem modischen Schaulaufen der Protestbewegung nicht annähernd gerecht wird — ein bisschen wie das Cover, das deutet ja auch nur höchst vage an — gibt’s dann eine Reihe ausführlicher, lesenswerter Texte, die den Atom-Wahnsinn schön auffächern. Allen voran die „kurze Geschichte“ des Atommüllendlagers Asse II von Hubert Mania, „Die weißen Sümpfe von Wittmar“, mit Fotos von Dawin Meckel. Die ist mit der nötigen Portion Aufregung geschrieben und verweigert sich einfachen Antworten, eine schöne Gruselgeschichte für Abendstunden, in denen der Herbst die Fenster von außen benetzt.

Innen setzt sich die unterkühlte Gestaltung des Covers fort. Das Heft sieht in seiner strengen Schlichtheit aus wie eine Mischung aus „032c“ (Art Director Mike Meiré) und „Humanglobaler Zufall“ (Bureau Mirko Borsche), also zeitgemäß und preisverdächtig. Für das Layout zeichnet Ernst Bettler verantwortlich und damit niemand: Es ist ein Pseudonym, Bettler so etwas wie der Jakob Maria Mierscheid der Designer.

Nur dass Mierscheid mit Witz und Anarchie den Politik-Journalismus bereichert hat. Bettler hingegen hat die „Dummy“ schockgefrostet.