Brotbacken

Erschienen am 9.1.2017

Jörgen Camrath hat mich gefragt, was uns „im Bereich der sozialen Medien“ dieses Jahr erwartet. Nachdem ich für das Nieman Lab schon kurz etwas zu Fake News geschrieben habe, hier also meine Vorhersage:

AfD, Trump, Fake News – alles total wichtig und dieses Jahr dauerpräsent in den Medien. Mindestens so wichtig wird Brotbacken. Nicht im Plastikautomaten, sondern im Schmortopf aus Gusseisen. Mit Hilfe einer eigenen Hefekultur, die so pflegeintensiv wie ein Kleinkind ist. Die kross gebackenen Laibe gibt es dann auf Instagram, angerichtet in fotogenen Küchen neben vermehlten Gärkörben.

Nach Singlespeed-Fahrrädern, Third-Wave-Coffee und Schellackplatten ist das Backen der nächste große Hipster-Trend. Brotbacken muss man sich zeitlich leisten können, der Einsatz von Kapital bringt keine Abkürzung. Höchsten einen Profi-Ofen könnte man sich einbauen lassen, denn so gut wie beim Bäcker werden die eigenen Brote sonst nie gelingen.

Das Brotbacken ist vor allem Rückzug: Handarbeit im Roboterzeitalter, kneten, warten, kneten, warten. Das Interface: taktil. Alles auf Oberfläche, die Fingerkuppen erspüren die Teigverfassung. Zum Brotbacken braucht es die eigenen Hände, Mehl, Wasser, Hefe und viel Zeit. Totale Reduktion und Entschleunigung, alles, was dem Bildschirmarbeiter fehlt. Während draußen der Mob die AfD wählt und die Facebook-Kommentare überkochen, übt man sich in alter Kulturtechnik. Kneten statt keifen.