Was ich auf #theconf in Malmö gelernt habe

Erschienen am 25.10.2014

The Conference, Malmö, 2014

Zwei Tage Zukunft: Im August haben sich rund tausend Kreative und Irgendwas-mit-Internet-Menschen in Malmö getroffen. Mit ihrer hervorragenden Speaker-Auswahl ist „The Conference“, auf Twitter #theconf, so etwas wie die kleine, feine Schwester der re:publica. Die meisten Talks gibt es als Video im Netz. Hier sind meine Highlights:

1. 4D-Druck ist die Zukunft: Materialien, die bei Hitze, im Wasser oder durch Schütteln vorher festgelegte Formen annehmen.
Skylar Tibbits leitet das Self-Assembly-Lab am MIT und forscht an dem, was nach 3D-Druck und Lasercuttern kommt: „Advanced Manufacturing“. Dabei geht es um Materialien, die sich selbst zusammensetzen und organisieren können, denen ein Bauplan schon mit eingebaut ist. Alles noch sehr am Anfang, aber schon jetzt faszinierend und überzeugend: Statt aufwendiger Produktion in riesigen Fabriken könnten sich Objekte künftig selbst bauen, je nach Bedarf verändern und schließlich wieder zerlegen. Ich habe lange nicht mehr so gestaunt.
4D Printing – Skylar Tibbits (leider nicht von The Conference)
@SkylarTibbits

2. Werbung funktioniert nur noch als virales Video.
Per Cromwell macht Werbung, die so gut ist, dass man auf YouTube geht und einen Werbespot erträgt, um die eigentliche Werbung zu sehen. Dahinter steckt vor allem Handwerk und die Erkenntnis, das Menschen gerne Videos von verrückten Experimenten, Erfindungen und Streichen sehen. „Either you are part of the content or you are part of distraction“, sagt Cromwell und zeigt Beispiele, die Medien weltweit nur zu gerne aufgegriffen haben.
Per Cromwell, Anatomy of Virality
@thetalestudio

3. „Immersive Journalism“ ist unheimlich und verstörend. Mit der Oculus Rift werden wir mehr davon sehen.
Nonny de la Peña setzt Nutzern Oculus-Rift-Brillen auf und schickt sie virtuell ins syrische Aleppo, nach Guantanamo oder zu einer Armenspeisung in Los Angeles. Die Nutzer erleben dann Szenen nach, denen sie weitgehend ausgeliefert sind. Ein Video zeigt eine durch so eine Vorführung geschockte Person, und schon Mitschnitte ihrer Projekte ohne 3D-Brille sind krass. Klar wird: Die Oculus Rift, die kommendes Jahr auf den Markt kommt, ist ein mächtiges Werkzeug. Mir hat sich allerdings die Frage gestellt, ob solche drastischen Mittel wirklich notwendig sind, um Empathie hervorzurufen. Auf die Darstellung von krassen Gewaltbildern verzichten wir schließlich auch.
Nonny de la Peña, Using gaming platforms to create news and nonfiction
@ImmersiveJourno

4. Bevor wir verstehen können, was alles über uns gespeichert wird, müssen wir diese Daten lesbar machen und übersetzen.
Wir müssen die digitale Welt um uns herum besser verstehen, fordert Sara M. Watson vom Berkman Center for Internet and Society. Sie nennt das „Digital Literacy“. Dazu müssen wir zunächst wissen, was für Daten über uns eigentlich gespeichert werden — und wir müssen diese Daten für uns lesbar machen. Das gelingt nicht immer, aber sie zeigt nützliche Werkzeuge. Und sie zeigt, wie man durch gezielte Manipulation dieser Daten mehr über die Funktion von Cookies und Werbeprofilen herausfinden kann.
Sara M. Watson, Legible Data
@smwat

5. Bitcoin ersetzt Vertrauen durch unbestechliche Kryptografie. Aber dann vertrauen Nutzer Diensten wie Mt. Gox und machen damit wieder alles kaputt.
Sarah Jeong zeigt, wie genial Bitcoin ist und wie das Konzept leidet, wenn wir es mit herkömmlichen Währungen verbinden und dabei Firmen zur Abwicklung vertrauen, die das Vertrauen nicht unbedingt verdienen. Menschen sind irrational.
Sarah Jeong, In Math We Trust (?)
@sarahjeong

6. Ein Held, ein Ziel, ein Hindernis: Wie man gute Geschichten erzählt.
Wissen wir alle natürlich, aber Brian Reed von der großartigen Radiosendung „This American Life“ erzählt mit Beispielen, wie man eine packende Geschichte erzählt. Bei ihm heißt die Zauberformel: „action, reflection, and stakes“.
Brian Reed, The Craft of Storytelling

Alle Videos gibt es hier, außerdem eine Übersicht des Programms. Bis auf die Werbeeinlagen von Kevin Alloca (YouTube) und Stephanie Pereira (Kickstarter) sind alle Talks empfehlenswert. Einen guten Eindruck von der Organisation und von den liebevollen Details geben die Fotos von Peter Malmqvist und Jesper Berg auf Facebook. Ich war freundlicherweise eingeladen, weil ich auf der im Anschluss stattfindenden „The Next Chapter“ über das Hacken von Büchern sprechen durfte.