Tom McCarthy: Satin Island

Erschienen am 24.1.2016

Worum geht es? U. ist Anthropologe und arbeitet in London für The Company, eine Beraterfirma, die gerade einen wichtigen Pitch gewonnen hat. Ein gigantisches Projekt namens Koob-Sassen, das die Gesellschaft und unser aller Leben verändern wird, wenn auch weitgehend unbemerkt. U. verrät praktisch nichts über dieses Projekt, es ist ein McGuffin. Stattdessen erzählt er, oft abstrakt, von seiner Arbeit. Er hilft der Firma dabei, für die Kunden Narrative zu finden. Frühstücksflocken mit Sinn aufzuladen etwa. Außerdem soll er seinem Chef Peymann ein bahnbrechendes anthropologisches Werk verfassen, The Great Report, denkt dann aber lieber über die Klimaanlage in seinem Büro nach oder hört bei der Projektbesprechung mit der britischen Ministerpräsidentin nicht zu.

Worum geht es wirklich? Um den Kapitalismus und wie linke Geisteswissenschaften von ihm eingenommen werden.

Lohnt sich das? Schon. Es gibt schöne Szenen, etwa wie U. eine Ölkatastrophe umdeutet und die verursachenden Unternehmen von jeder Schuld freispricht. Die Gedankenspiele rund um Present-Tense Anthropology und die Exkurse zu Claude Lévi-Strauss sind ebenfalls interessant. U. geht so in seiner Rolle als Anthropologe auf, dass er nur beobachtet, nicht handelt. Am Ende steht er unschlüssig herum und weiß nicht, wohin. Das Gefühl hatte ich bei dem 176 Seiten kurzen Buch dann auch, was sicherlich Tom McCarthys Absicht war. Schade ist es trotzdem, weil so viel angerissen wurde, was er dann nicht weitererzählt und auslotet (es muss ja gar nicht alles zu Ende gebracht werden). Schade!

Buch 4 von 52